Edith Salomon (verh. Klausner)
verfasst von den Mitgliedern des Workshop 13
(Projekttage 10.2. - 13.2.2025)

Der Workshop
von Luisa und Emma (8a)
Die Tage der Projektwoche „Biographische Forschung”waren sowohl informativ als auch bewegend. Unsere Gruppe bestand aus einer Mischung von Schülern und Schülerinnen aus den Stufen 8 bis EF. Alle haben sich mit großem Interesse dem Thema gewidmet.
Am Montag begann unser Workshop mit einer Einführung in die Geschichte der KLS. Außerdem haben wir uns viele Gesetze angeschaut, die Juden ab 1933 befolgen mussten. So haben wir gemerkt, wie tragisch und diskriminierend die Auswirkung der NS-Zeit auf das Leben dieser Menschen war. Danach machten wir einen Rundgang zu dem Ort, wo früher die jüdische Schule namens Jawne stand. Dorthin sind die meisten jüdischen Schülerinnen in der NS-Zeit gewechselt, als sie nicht mehr auf die KLS gehen durften.
Am Dienstag stand die Recherche zu Edith Salomon im Vordergrund, die 1932 Abi an der KLS machte. Nach nur zwei Stunden Recherche über alle möglichen Quellen gab es große Erfolge und wir haben viel über ihr Leben vor, im und nach dem Krieg herausgefunden. Ich finde es sehr beeindruckend, dass wir so viel gefunden haben, da ich nie gedacht hätte, dass man in so kurzer Zeit so viel über eine eher unbekannte Person herausfinden kann. Anschließend machte sich eine kleine Gruppe auf den Weg ins NS-Dokumentationszentrum in der Hoffnung, noch mehr über Ediths Leben herauszufinden. Unser Wunsch ging auch in Erfüllung, da wir sehr viele Informationen über Edith und ihrer Familie gefunden haben, die uns sehr weitergebracht haben. Während wir im Dokumentationszentrum waren, hatten die anderen erfahren, wo Edith und ihre Mutter einmal gelebt haben: in der Ehrenstraße 71. Da das sehr nah an unserer Schule ist, machten sie sich auf den Weg, das Haus vom Nahem zu betrachten.
Nachdem die ersten beiden Tage des Workshops nur in unserem Klassenraum stattgefunden hatten, wollten wir am Mittwoch etwas aktiver sein. Am vorherigen Tag hatten wir herausgefunden, dass Ediths Vater während des NS-Regimes Zwangsarbeit leisten musste. Daher fanden wir einen Ausflug zu seiner Unterkunft in der Neusser Straße 592 sehr passend. Obwohl das ursprüngliche Gebäude nicht mehr dort steht, haben wir immer noch Anzeichen für das vorherige Haus gefunden. Vor der heutigen Haustür wurden mehrere Stolpersteine verlegt, die an Zwangsarbeiter erinnern sollen.
Danach haben wir die Fabrik besucht, in der Albert Salomon Zwangsarbeit leistete. Während unserer Recherchen haben wir herausgefunden, dass die Fabrik „Courtaulds Glanzstoffe“ hieß und dass das Gebäude immer noch dort steht. Eine Besichtigung der Fabrik war leider nicht möglich, da sie heute als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Doch von außen gab das Gebäude auch schon etwas her, da sich der Stil der 1920er Jahre in ihm widerspiegelt. Es war zwar nur ein Backsteingebäude, aber die mühevoll verzierten Wände waren nicht zu übersehen. Als wir wieder in der Schule ankamen, haben wir einen Film über „Die vergessenen Kinder von Köln“ geschaut, dessen Ziel es war, die jüdischen Waisen, die deportiert und ermordet wurden, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Der Film war sehr interessant, aber auch traurig. Zuletzt haben wir festgelegt, was wir am letzten Tag des Workshops tun möchten.
Der Plan für den Donnerstag war, die Biographie zu schreiben und Paten für Stolpersteine zu suchen. Zuerst haben wir uns in Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe sollte einen Brief schreiben, um in Geschäften in der Umgebung nach Spenden für Stolpersteine zu suchen. Die anderen sollten sich aufteilen, um die Biographie zu schreiben. Jede Gruppe hatte 2-3 Mitglieder. Wir waren in der Gruppe, die Paten für Stolpersteine gesucht hat. Das Schreiben hat ein bisschen gedauert, aber danach ging alles sehr schnell. Da wir herausgefunden hatten, wo Edith wohnte und dass das Haus immer noch dort steht, haben wir zuerst die Geschäfte in der Umgebung gefragt. Fast überall war man wirklich interessiert und nahm unseren Brief an. Als wir wieder zur Schule gingen, war die Biographie auch fertig, und wir haben eine Pause gemacht, um uns die anderen Projekte anzuschauen. Am Ende des Tages sind wir noch einmal zusammengekommen, um die Woche zu besprechen.
Fazit
Es war spannend, wie man anhand von historischen Quellen, z.B Adressbüchern, so viele detaillierte Informationen über das Leben von Edith Salomon und ihrer Familie herausfinden konnte. Das Projekt war sehr interessant, da wir viel über die allgemeine Verfolgung der Juden und Jüdinnen erfahren haben. Wir haben uns aber auch mit einer einzelnen Person beschäftigt. Gerade das hat nochmal verdeutlicht, wie tragisch und diskriminierend die Auswirkung der NS-Zeit auf die jüdischen Menschen war und dass sich so etwas Schlimmes niemals wiederholen darf!
Uns hat die Woche sehr gefallen. Wir haben viele neue Dinge gelernt und werden uns jetzt auch privat mit dem Thema beschäftigen.

von Albert und Theo (9c)
Wilhelmine Edith Salomon kommt am 8. November 1911 zur Welt. Ihre Familie ist jüdisch und wohnt zu diesem Zeitpunkt in der Thieboldsgasse 137. Edith hat keine Geschwister und wächst demzufolge als Einzelkind auf. Geboren wird sie aber nicht in der elterlichen Wohnung, sondern in der Victoriastraße 30, in einer privaten Frauenarztklinik. Sowohl die Geburt in einer privaten Klinik als auch der spätere Besuch einer höheren Töchterschule zeigt, dass die Familie recht wohlhabend sein muss.
Ihr Vater, Albert Salomon, ist am 18. Februar 1883 in Köln-Kalk geboren. Er geht einer kaufmännischen Tätigkeit nach. Seine Eltern und somit Ediths Großeltern sind Sibilla (geb. Schweizer) und Isaac Salomon.
Ediths Mutter, Else Helene Salomon, geb. Kaufmann, kam am 19. September 1890 zur Welt. Zum Zeitpunkt von Ediths Geburt ist sie Hausfrau. Ihre Eltern sind Simon Kaufmann und Helene (geb. Meyer). Simon Kaufmann besitzt höchstwahrscheinlich Anteile an einer Fabrik, die Zinkornamente herstellt.
Salomons verstehen sich wahrscheinlich – wie viele andere Kölner Juden – als Deutsche jüdischer Konfession: in religiöser Hinsicht eher liberal, auf Assimilation und sozialen Aufstieg bedacht, politisch national oder sogar nationalistisch eingestellt. Letzteres zeigt sich vielleicht auch an Ediths Namen, denn sie ist mit ihrem ersten Vornamen – Wilhelmine – wohl nach dem regierenden Kaiser Wilhelm II. benannt. Erst später, nach dem Ende des Kaiserreiches, verwendet sie stattdessen nur noch ihren zweiten Vornamen Edith.
von Albert und Theo (9c)
Als Edith drei Jahre alt ist, bricht der Erste Weltkrieg aus. Dadurch wird ihr eine sorgenfreie Kindheit verwehrt. Denn ihr Vater kämpft an der Front, was für sie sicher schwer gewesen sein muss. Ostern 1918 wird sie eingeschult. Auf welche Schule sie geht, ist unklar. Als sie gerade sieben Jahre alt geworden ist, endet der Krieg, und am Tag nach ihrem Geburtstag dankt der Kaiser ab (9. November 1918). Später besetzen britische Truppen Köln (zu den Lebensbedingungen während des Ersten Weltkrieges siehe ausführlicher die Biographie von Elsbeth von Ameln im Gedenkbuch der KLS: https://www.koenigin-luise-schule.de/gedenkbuchdetails-ueberlebende/elsbeth-von-ameln-geb-pollitz-730.html).
Der Vater hat zwar überlebt, die Ehe aber nicht: Im April 1919 lassen sich die Eltern scheiden. Mutter Else und Tochter Edith ziehen in die Ehrenstraße 71. Das ganze Haus gehört der Mutter, die eine Spitzenmanufaktur betreibt. Der Vater wohnt nun in der Bismarckstraße 39.
Im Oktober 1920 sind sie in ein Gerichtsverfahren verwickelt: Albert Salomon wird wegen unerlaubtem Waffenbesitz angeklagt. Beim Gerichtsverfahren wird klar, dass Albert Salomon vom Krieg traumatisiert ist und psychische Probleme davongetragen hat. Das Verhältnis der Eltern von Edith ist zerrüttet, sie haben seit der zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Monate zurückliegenden Scheidung nicht mehr miteinander gesprochen. Albert Salomon soll einen geladenen Revolver in seinem Sofa versteckt haben. Er behauptet vehement, seine Frau und ihr damaliger Partner Max Carl hätten ihn dort platziert, um ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Des Weiteren soll Albert gedroht haben, Else und Edith zu erschießen. Dieser Ehekrieg und die Morddrohung müssen für Edith, zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt, sehr belastend und erschreckend sein, ihre Familie ist zerstört. Albert Salomon wird schließlich zu sechs Monaten Haft verurteilt. Es ist ungewiss, ob Edith danach noch Kontakt zu ihrem Vater hat, jedoch reicht sie im Jahr 1978 ein Gedenkblatt bei der Opferdatenbank von Yad Vashem für ihn ein.


Vermutlich wechselt Edith Ostern 1923 auf die Königin-Luise-Schule (KLS). Da die KLS pro Jahr als Schulgeld doppelt so viel verlangt wie das durchschnittliche Gehalt eines Arbeiters, zeugt dies von Wohlstand von Edith und ihrer Mutter. Außerdem ist das Haus in der Ehrenstraße nur einen Katzensprung von der KLS entfernt. Der Besuch einer höheren Schule sowie der Verzicht auf den Besuch einer jüdischen Schule, wie zum Beispiel der Jawne nebenan, zeugt von der liberalen und modernen Einstellung der Familie. Darüber hinaus besucht sie ab der Oberstufe nicht die hauswirtschaftliche Frauenschule, sondern die wissenschaftlichen Klassen des Oberlyzeums, die zur vollen Hochschulreife führen.
1932, mitten in der Weltwirtschaftskrise, macht Edith dort ihr Abitur. Im Schuljahresbericht steht, dass sie kein Studium, sondern einen „kaufmännischen Beruf“ anstrebt, vielleicht, weil ihre Eltern schon in dem Bereich tätig sind.

von Ez
Zum Zeitpunkt ihrer Abiturprüfung gibt Edith an, einen kaufmännischen Beruf ergreifen zu wollen. Diesen Plan setzt sie auch um, denn ab 1935 erscheint sie als „kaufmännische Angestellte“ in den Adressbüchern. In den Jahren dazwischen hat sie vielleicht eine entsprechende Ausbildung absolviert. Wir wissen allerdings nicht, was sie genau arbeitet und wo sie beschäftigt ist. Angesichts der zunehmenden Ausgrenzung der jüdischen Deutschen wäre zu vermuten, dass sie in einem jüdischen Geschäft arbeitet. Ihre Mutter Else erscheint bereits seit längerer Zeit in den Adressbüchern als „o.G.“ - „ohne Gewerbe“. Die Spitzenmanufaktur, die sie früher geführt hat, gibt es wohl nicht mehr. Edith wird also nicht bei ihrer Mutter arbeiten.
In dieser Zeit wird das Leben für die jüdischen Deutschen immer schwieriger, auch finanziell. Es könnte also sein, dass Edith „dazuverdienen“ muss und aus wirtschaftlichen Zwängen selbst berufstätig ist. Allerdings gehört ihrer Mutter immer noch das Haus Ehrenstraße 71, und Edith ist inzwischen Mitbesitzerin. Außerdem verfügt die Mutter zu einem späteren Zeitpunkt noch über ein gewisses Vermögen, als sie ihre Auswanderung vorbereitet. Vielleicht entscheidet sich Edith also ganz bewusst für die Berufstätigkeit, um ein eigenständiges und unabhängiges Leben zu führen. Dazu gehört auch, dass sie offensichtlich unverheiratet ist. Denn nur dann dürfen in dieser Zeit Frauen arbeiten gehen.
Bis zu ihrer Flucht, wohl im Jahr 1939, fehlen uns weitere direkte Informationen. Hier sind wir auf Rückschlüsse aus der allgemeinen Entwicklung angewiesen. Unmittelbar nach der Machtübernahme beginnen die Nazis, die Deutschen jüdischer Konfession mit einer endlosen Kette antisemitischer Gesetze zu diskriminieren. Schritt für Schritt für Schritt werden sie aus Staat und Gesellschaft gedrängt, wird ihre wirtschaftliche und soziale Existenz vernichtet. Das werden Edith und ihre Mutter in derselben Weise zu spüren bekommen wie alle anderen. Ein paar Beispiele mögen hier genügen, die sie in ihrer Situation auf jeden Fall betreffen:
Schon ab März 1933 darf Edith keine städtischen Sportanlagen mehr betreten. Sollte sie Mitglied in einem Sportverein sein, wird sie ausgeschlossen. In offiziellen Dokumenten erscheint sie nicht mehr als „deutsch“, sondern als „nicht-arisch“. Falls Edith, wie so viele andere Kölner, den Karneval liebt, dann sieht sie 1934 den ersten antisemitischen Wagen im Rosenmontagszug.

1935 wird es ihr verboten, Gaststätten, Kinos oder Parkanlagen zu besuchen. Im September 1935 werden Edith und ihre Mutter durch die „Nürnberger Gesetze“ zu Bürgern zweiter Klasse, beide gelten jetzt als „Volljuden“, sie verlieren das Wahlrecht. Edith darf keine Beziehung mehr zu einem nicht-jüdischen Mann eingehen, denn das gilt jetzt als „Rassenschande“ und ist strafbar.
1938 steigert sich die Verfolgung noch einmal enorm. Edith und Else müssen ihr Vermögen offiziell melden. In Krankenhäusern werden sie getrennt von den „arischen“ Patienten behandelt. Ab August 1938 haben beide den zusätzlichen Vornamen „Sara“ als Hinweis auf ihre jüdische Herkunft zu tragen (bei Männern „Israel“). Von akribischen deutschen Beamten wird dieser Name in allen offiziellen Dokumenten nachgetragen, sogar rückwirkend bis zu Ediths Geburtsurkunde aus dem Jahr 1911 (siehe oben Abb. 2). Wenig später stempelt man zusätzlich ein großes rotes „J“ in ihre Pässe.
Begleitet wird all das bereits seit 1933 von einer gemeinen, hasserfüllten Propaganda. Überall – in Zeitungen, auf Plakaten, im Radio – begegnen Edith und Else die Hassbotschaften, mit denen man sie demütigt und entwürdigt, zu einer Bedrohung für die Mehrheit erklärt, zu Sündenböcken für alles macht.
In der „Reichspogromnacht“, der Nacht vom 9. November 1938, fallen in ganz Deutschland, auch in Köln, Schlägertrupps des Regimes über die jüdische Minderheit her. Synagogen werden niedergebrannt, unzählige Geschäfte und Wohnungen werden verwüstet, Menschen misshandelt, in Konzentrationslager verschleppt, viele auch ermordet.
Edith und Else erleben diesen Gewaltexzess in Köln mit. Ob sie davon direkt betroffen sind, wissen wir nicht. Die unmittelbaren Folgen müssen sie aber auf jeden Fall tragen. In einer an Zynismus nicht mehr zu überbietenden Aktion sollen die jüdischen Deutschen selbst für die Schäden aufkommen, die man ihnen angetan hat. Für diese „Sühneleistung“ müssen auch Edith und Else 20 Prozent ihres Vermögens an den Staat abgeben. Im Dezember haben sie ihre Wertsachen – Aktien, Kunst, Edelmetall – zuerst anzumelden, kurz darauf bei staatlichen Ankaufsstellen zwangsweise zu verkaufen – natürlich weit unter Wert.
Im selben Monat schließlich wird Juden der Besitz von Immobilien verboten. Spätestens jetzt müssen Edith und Else das Haus Ehrenstraße 71 an einen „Arier“ verkaufen – natürlich auch das mit Sicherheit weit unter Wert.
von Isabel, Mia-Sophie und Sophie (9a)
Trotz der Judenverfolgung bleibt Edith noch relativ lange in Köln, bis ins Jahr 1939 ist sie in den Adressbüchern gemeldet. Erst spät entschließt sie sich zur Flucht, ursprünglich will sie gemeinsam mit ihrer Mutter in die USA. Das klappt aber nicht, beide werden getrennt. Nur Edith schafft es, nach England zu fliehen, auf jeden Fall aber vor Ausbruch des 2. Weltkrieges am 1. September 1939. Dort lernt sie unter ungeklärten Umständen einen Mann namens Solomon Klausner kennen. Im September 1939 gehen beide in London den Bund der Ehe ein. Von da an heißt sie Edith Wilhemina Klausner. Am 5. März 1941 kommt ihre erste Tochter zur Welt. Vier Jahre später ziehen die drei zusammen in die Eton College Road 12a in Hampstead, Middlesex. Im Dezember 1948, im Alter von 35 Jahren, bekommt Edith ihre zweite Tochter. Im selben Jahr zieht die Familie innerhalb von Hampstead um, 1949 wechselt sie ihren Wohnort zur Merrion Avenue 99 in Stanmor Middlesex.
Edith ist gerade 40 Jahre alt, als sie ein neuer Schicksalsschlag trifft. Mit 46 Jahren stirbt ihr Mann Solomon Klausner am 29. Juli 1952. Mit 65 Jahren wird sie allerdings Großmutter, da ihre jüngere Tochter Ediths Enkelin zur Welt bringt.
Edith stirbt 1990. Heute leben noch Ediths Kinder sowie ihre Enkel und Urenkel.
von Isabel, Mia-Sophie und Sophie (9a)
Edith und Else wollen eigentlich zusammen in die USA auswandern. Dort möchte Else eine Pension eröffnen. Zu diesem späten Zeitpunkt kann man aber kein Geld mehr mitnehmen oder ins Ausland überweisen, auch Wertgegenstände darf man nicht mehr ausführen. Erlaubt sind nur Möbel, Hausrat, Gegenstände des täglichen Gebrauchs, und die auch nur gebraucht, und selbst dafür muss man hohe Abgaben zahlen (zu den Bedingungen einer solchen Auswanderung in die USA siehe die ausführliche Schilderung im Gedenkbuch der KLS zur Familie von Lieselotte Kramer: https://www.koenigin-luise-schule.de/gedenkbuchdetails-ueberlebende/liselotte-kramer.html).
Wohl deshalb plant Else, das Inventar für ihre zukünftige Pension zu beschaffen und in die USA zu schicken. Dazu verwendete sie vermutlich den größten Teil der Wertsachen, die ihr noch geblieben waren.
Edith selbst berichtet uns darüber (in einem späteren Wiedergutmachungsprozess):
„Meine Mutter beabsichtigte, in den Vereinigten Staaten, die unser ursprüngliches Auswanderungsziel war, eine Pension zu eröffnen. [Sie] verkaufte ihren wertvollen Schmuck für Anschaffung von Möbeln, Tisch- und Bettwäsche. [...] Meine Mutter verstand sich auf feine Wäsche besonders gut, da sie früher das Wäschegeschäft Spitzenhaus Salomon, Köln, Ehrenstr. 71, besessen hatte. Sie ließ die Ausstattung bei dem Kloster "Zum guten Hirten" in Köln mit der Hand fertigen.“ Darüber hinaus kauft Else weitere Ausstattungsgegenstände, z.B. Service und WMF-Bestecke.
Es gelingt ihr offensichtlich noch, den enormen bürokratischen Aufwand zu erledigen und diese Gegenstände in einem „Liftvan“, einer hölzernen Überseetransportkiste, in den Seehafen von Rotterdam verschicken zu lassen, außerdem einen weiteren Liftvan mit Ediths Besitz.
Tragischerweise ist das alles umsonst. Edith kann noch entkommen, allerdings nicht in die USA, sondern nach Großbritannien. Else gelingt die Flucht dagegen nicht mehr. Vielleicht ist es zu spät, vielleicht dauert es zu lange, bis sie ein Visum bekommt, vielleicht wird sie auch vom Ausbruch des 2. Weltkrieges überrascht. Die beiden Liftvans stehen im Hafen von Rotterdam, bis die Niederlande im Mai 1940 von der deutschen Wehrmacht erobert werden. 1942 dann werden sie von den deutschen Besatzungsbehörden beschlagnahmt.
Nach Kriegsbeginn lebt Else noch weitere zwei Jahre in Köln, nach Verlust von Haus und Besitz sicher unter elenden Umständen. Wir wissen nur, dass sie für einige Zeit in das Ghettohaus Venloerstraße 23 ziehen muss.
Am 30. Oktober 1941 wird sie in das Ghetto Litzmannstadt in Polen deportiert. Nachdem sie dort ein weiteres halbes Jahr unter noch viel schlimmeren Bedingungen gelebt hat, wird sie schließlich im Mai 1942 in das Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof deportiert und dort ermordet.

Ediths Vater Albert Salomon arbeitet nach der Scheidung von Ediths Mutter Else weiter als Kaufmann. Es wäre möglich dass er nach der Scheidung in einer zweiten Ehe mit Anna Gertrud Salomon, geb. Lacroix, verheiratet ist. Jedoch ist nichts Weiteres darüber bekannt und außerdem ist dies nicht vollständig nachgewiesen. In einer Deportationsliste vom Juli 1942 (siehe unten) erscheint er als „ledig“.
Nach der Scheidung zieht Albert mehrfach um. Zuerst wohnt er am Hohenzollernring 50, dann am Sülzgürtel 20, danach auf der Venloerstraße 21. Sein wohl letzter frei gewählter Wohnort ist im Jahr 1939 die Bismarckstraße 20.
Auch Albert will oder kann nicht ins Ausland fliehen. Vom 13. März 1940 bis zum 15. Juli 1942 wird der inzwischen fast 60jährige als jüdischer Zwangsarbeiter bei der Firma Glanzstoff-Courtaulds GmbH eingesetzt. Das Firmengelände liegt an der Neusser Landstraße kurz hinter dem Militärring. Einige Teile der Firma sind noch erhalten, darunter die Gebäude, in denen sich heute der Veranstaltungsort „Die Kantine“ befindet.
Vor Ort gibt es keinen Hinweis auf dieses düstere Kapitel in der Firmengeschichte.
Während dieser Zeit wohnt Albert vermutlich erst am Hansaring 23. Später wird er dann zusammen mit anderen Zwangsarbeitern im Veranstaltungssaal der Gaststätte ,,Haus Lückerath“, Neusser Str. 592, untergebracht. Haus und Gaststätte existieren nicht mehr. Vor dem Neubau an gleicher Stelle erinnern aber Stolpersteine an einige der dort einquartierten Zwangsarbeiter.
Am 20. Juli 1942 wird Albert mit dem Zug Da 219 nach Maly Trostinec in der Nähe von Minsk deportiert. Dort wird er letztendlich zu einem der 1164 Opfer, die am 24. Juli 1942 im Wald von Blagowtschina erschossen werden.

Albert Salomon hat noch eine jüngere Schwester, Ediths Tante Henriette (* 22.07.1893). Sie heiratet Jacob Marx (* 19.11.1891), der später eine Metzgerei in Köln-Kalk betreibt. Beide bekommen zwei Kinder: eine Tochter, die wie ihre Cousine Edith heißt (* 18.02.1921), und einen Sohn Erich (* 30.07.1927).
Am 7. Dezember 1941 wird die ganze Familie von Köln in das Ghetto Riga in Lettland deportiert. Dort verliert sich die Spur von Henriette. Jacob, Erich und Edith überleben in Riga bis in den Sommer 1944. Im August werden sie dann in das KZ Stutthof bei Danzig verschleppt. Dort verliert sich auch die Spur von Edith. Jacob und Erich werden in Stutthof getrennt: Erich wird im September 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Jacob wird in das KZ Buchenwald verschleppt. Dort erlebt er die Befreiung – als einziger Überlebender seiner Familie.
Quellen:
Corbach, Dieter, 6.00 ab Messe Deutz. Deportationen 1938 – 1945, Köln 1999, S. 494
Gedenkstein für Zwangsarbeitende einer Chemiefabrik. URL: https://stolpersteine.wdr.de/web/de/stolperstein/14379
Glanzstoff Courtaulds GmbH. URL: http://www.lebensgeschichten.net/selcont3.asp?typ=L&value=1075
Grevens Adressbuch für Köln und Umgebung insbesondere auch Mülheim am Rhein und Kalk, URL: https://services.ub.uni-koeln.de/cdm4/document.php?CISOROOT=%2F_RHV&CISOPTR=97891#pagetopper
Jüdische Schülerinnen und Schüler an Kölner Gymnasien. Ihre Geschichte(n) zwischen Integration, Ausgrenzung und Verfolgung, hg. D. Erkelenz/T. Kahl, Berlin 2023, S. 38ff.
Kierdorf, Alexander, Glanzstoff Courtauls. URL: https://www.rheinische-industriekultur.com/seiten/objekte/orte/koeln/objekte/courtaulds.html
Kölsche Kippa Köpp e.V.: Nur ein Koffer. URL: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=898898814220596&id=293921768051640&set=a.380169009426915
Matzerath, Horst, Köln in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945, Köln 2009, S. 409ff.
Profil von Edith Klausner bei Ancestry: URL: https://www.ancestry.de/
Schuljahresbericht der Königin-Luise-Schule 1931/32 (Schularchiv)
Statistik des Holocaust. Köln nach Minsk 20.07.1942. URL: https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_rhl_420720.html
Zeitungsportal NRW, URL: https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/search/3945929?query=%22Albert%20salomon%22
Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, Yad Vashem, URL: https://collections.yadvashem.org/en/names.