Nach dem Ersten Weltkrieg war eine große Zahl polnischer und russischer, meist orthodoxer Juden nach Deutschland eingewandert, vor allem um den Pogromen und Verfolgungsmaßnahmen im Osten zu entgehen; auch in Köln bildeten diese "ostjüdischen" Immigranten schließlich etwa ein Drittel der jüdischen Gesamtbevölkerung. Auch Leo Gabels Eltern dürften dazu gehört haben. Viele dieser Einwanderer wollten sich durchaus integrieren, unterließen oder versäumten es aber, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen; sie blieben demnach russische oder vor allem polnische Staatsbürger.
Am 31. März 1938 verabschiedete die polnische Regierung ein Gesetz, welches besagte, dass die Pässe im Ausland lebender Polen für ungültig erklärt würden, wenn sie nicht bis zum 31. Oktober mit einem Kontrollvermerk versehen würden. Falls sich jedoch ein polnischer Bürger mehr als 5 Jahre im Ausland aufgehalten habe, drohe ihm die Verweigerung dieses Vermerks. So sollte die Rückkehr von im Ausland lebenden Polen verhindert werden. Als das polnische Außenministerium sich auf Anfrage des deutschen Auswärtigen Amtes nicht dazu bewegen lassen wollte, in Deutschland ansässige Polen trotzdem einreisen zu lassen, leitete die deutsche Regierung eine Sonderaktion in die Wege. Die Gemeinden, und so auch die Malscher Gemeinde, mussten überprüfen, welche Juden im Besitz eines polnischen Reisepasses waren und die Informationen mussten an die Regierung weitergeleitet werden.
Leo und Charlotte waren die einzigen Malscher Juden im Besitz eines polnischen Passes. So wurden die Malscher Behörden am 26. Oktober per Schnellbrief informiert, dass das Ehepaar bis zum 29. Oktober an die polnische Grenze überstellt werden sollte. Im Folgenden wurde Leo Gabel vom Bezirksamt mitgeteilt, dass seine Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen worden sei und für ihn und seine Frau ein Aufenthaltsverbot im gesamten Reichsgebiet vorliege, welches sich auch auf ihren Sohn Josua beziehe. Innerhalb von zwei Tagen musste sich die Familie nun von ihrem Heim verabschieden und noch schnell alles Liebe packen. Gar nicht zu sprechen von der mentalen Anspannung, welcher man als Elternteil ausgesetzt ist, wenn man seinem Kind erklären muss, wohin man gehen muss und warum.
Die Familie nahm jedoch nicht erst am Tag des 29. Oktober den Zug an die polnische Grenze, sondern wurde bereits am Morgen des 28. Oktober von dem Polizeiwachtmeister Kastner verhaftet und an den Bahnhof gebracht. Dieser war vom Bürgermeister aufgefordert worden, die Familie um 10.49 Uhr in Karlsruhe in den Zug nach Rastatt zu setzen. Bei ihrer Ausbürgerung sollten sie nicht mehr als Handgepäck und Mundvorrat dabeihaben. Sie mussten also jegliches Hab und Gut außer ein wenig Kleidung zurücklassen. Jedoch stellte sich am Bahnhof heraus, dass die badische Regierung mittlerweile zu der Entscheidung gelangt war, nur über 18 jährige männliche Juden auszuweisen. So stieg nur Leo in den Zug nach Rastatt. Charlotte und der dreijährige Josua kehrten nach Hause zurück. Am 3. November traf beim Malscher Bürgermeister ein Schreiben ein, welches vom Bezirksamt Rastatt stammte und ihn darüber informierte, dass das Bezirksamt entschieden hatte, die abtransportierten Juden die durch den Transport entstandenen Kosten selbst tragen zu lassen. Als Folgereaktion wurde unter der Malscher Gemeinde der Familienhaushalt nach den Besitztümern durchsucht. Neben der Einrichtung wurde ein Vermögen von 5000 Reichsmark gemeldet. Dies deutet darauf hin, dass die Familie, obwohl sie kein eigenes Haus besaß, die Chance hatte, einiges anzusparen und sich demnach einen guten Lebensstandard zu ermöglichen.
Nachdem Polen sich schließlich bereit erklärt hatte, die Angehörigen der Deportierten aufzunehmen, räumte die deutsche Regierung im Gegenzug den Abgeschobenen die vorrübergehende Rückkehr nach Deutschland ein. Diese Chance nutzte Leo Gabel und kehrte vorrübergehend zu seiner Familie nach Malsch zurück. Bevor Charlotte und Leo Gabel am 7. Juli 1939 endgültig nach Polen ausgebürgert wurden, schickten sie ihren Sohn Josua noch zu Charlottes Bruder Dr. Benno Weissberg, welcher mit ihm nach Holland floh. Die Überwindung dazu, sein Kind wegzugeben, zeigt, dass Leo und Lotte bereits vermuteten, welches Schicksal sie erwarten sollte. Trotzdem ist die Situation, in welcher sie sich sahen, als sie ihn weggeben mussten, schwer in ihrer emotionalen Tiefe nachzuvollziehen. Josua war zum damaligen Zeitpunkt vier Jahre alt.
Fraglich bleibt aber, warum auch Charlotte von der Polenaktion betroffen war. Nach Aussage des Schuljahresberichts der KLS von 1927 besaß sie die preußische Staatsbürgerschaft. Demnach hätte sie eigentlich nicht abgeschoben werden dürfen. War sie nur als Angehörige betroffen? Oder wollte sie ihren Mann freiwillig begleiten? Oder gibt es noch eine kompliziertere Erwägung? Denkbar ist, dass auch Charlotte einen polnisch-ostjüdischen Hintergrund hatte und vielleicht auch ihre Familie vor nicht langer Zeit eingewandert war; dafür spräche etwa ihre spürbare jüdische Identität, die unter den längst assimilierten deutschen Juden viel weniger ausgeprägt war. Wenn sie aus Gebieten stammte, die nach dem Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag an Polen abgetreten werden mussten, z.B. Westpreußen oder Südpreußen - dann hätte sie ursprünglich die preußische Staatsbürgerschaft gehabt, wäre durch den Versailler Vertrag aber automatisch polnische Staatsbürgerin geworden. Vielleicht liegt hier der Grund, warum das Ehepaar Gabel zunächst nach Posen kam, denn Posen war früher preußisch gewesen, 1919 dann polnisch geworden. Aber dies war alles längst geschehen, bevor Charlotte 1927 Abitur machte, man hätte hier um ihre geänderte Staatsbürgerschaft wissen müssen. Vielleicht lag der Grund auch einfach darin, dass die "Polenaktion" von deutscher Seite sehr schnell und unkoordiniert durchgeführt wurde - und alles andere ist Spekulation.
Sicher ist aber Folgendes: Ende Dezember 1939 - Polen war nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mittlerweile von deutschen Truppen besetzt worden - wurde das Paar von den deutschen Besatzungsbehörden von Posen aus ins Judenghetto Warschau deportiert. Seit 1942 fehlt jegliches Lebenszeichen von ihnen. Man geht davon aus, dass sie beide im Warschauer Ghetto ums Leben gekommen sind.