Denkmäler auf Melaten - Vergessene Geschichte

Ein Besuch des LK Geschichte der Q 1 auf dem Friedhof Melaten

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts standen fast alle europäischen Staaten unter der Herrschaft Napoleons, teils als Verbündete, meist als Besiegte. Dies galt auch für „Deutschland“, und Truppen zahlreicher „deutscher“ Staaten nahmen an Napoleons weiteren Feldzügen teil. Die linksrheinischen Gebiete gehörten in dieser Zeit übrigens zu Frankreich, Köln war damit eine französische Stadt. Nach Napoleons Niederlage in Russland 1812 erhoben sich die „Deutschen“ und besiegten den „Unterdrücker“. Zu dieser Zeit gab es allerdings noch kein „Deutschland“, nur einen Flickenteppich aus einer Vielzahl souveräner Fürstentümer, in denen sich aber zunehmend das Gefühl einer Zusammengehörigkeit, ein „Nationalbewusstsein“, entwickelte – auch als Reaktion auf die französische Besatzung. Einen einheitlichen Staat für alle „Deutschen“ zu schaffen – das war das wesentliche Ziel der Revolution, die im Jahr 1848 ausbrach. Sie scheiterte aber 1849 am Widerstand der Fürsten. Im Jahr 1871 entstand dann aber doch mit der Gründung des „Deutschen (Kaiser-) Reiches“ ein deutscher Nationalstaat.

Diesen „Weg zur Reichsgründung“ untersuchten wir im Oktober im Leistungskurs Geschichte der Q 1. Neben historischen Ereignissen und Entwicklungen geht es in Geschichte aber auch immer um Methodik. Hier beschäftigten wir uns mit einer besonderen Quellengattung, dem „Denkmal“. Laut Wikipedia handelt es sich dabei um „größere plastische […] und damit dreidimensionale, in der Regel künstlerisch gestaltete Objekte, geschaffen, um an eine historische Persönlichkeit oder ein geschichtliches Ereignis zu erinnern.“ Thematisch unterscheidet man verschiedene Denkmaltypen, z.B. Ehrenmale, Kriegerdenkmäler, Siegesdenkmäler, Nationaldenkmäler oder Mahnmale. Denkmäler sind für den Historiker eine besonders interessante Quellengattung, denn zum einen handelt es sich bei ihnen gleichermaßen um schriftliche, bildliche und gegenständliche Quellen. Zum anderen ist ihre Aussage vielfältig und verändert bzw. erweitert sich im Lauf der Zeit. So zeugen sie einerseits von einem historischen Vorgang – dies allerdings nicht objektiv. Vielmehr zeigt sich an ihnen die Sicht und Absicht der Erbauer und damit das Geschichtsbild, die „Geschichtskultur“ einer Gesellschaft. Sie zeugen aber auf lange Sicht auch von unserem Umgang mit diesen Relikten unserer Geschichte, und damit von unserem Geschichtsbewusstsein.

Der Melaten-Friedhof ist natürlich aufgrund seiner Natur ein Ort der Denkmäler. Und neben seiner Hauptfunktion als Friedhof ist er auch ein „Speicher der Kölner Stadtgeschichte“, auch wenn das vielfach leider in Vergessenheit geraten ist. Hier sollten sich neben Grabstätten auch einige Denkmäler befinden, die die oben kurz skizzierten Phasen der deutschen Geschichte widerspiegeln. Aus diesem Grund haben wir uns im Oktober zu einer „Feldstudie“ entschlossen. Dabei entdeckten wir tatsächlich die relevanten Monumente – und sogar mehr als gedacht. Sie befinden sich – mit einer Ausnahme – in chronologischer Reihenfolge auf der „östlichen Hauptachse“, die am alten Haupteingang an der Aachener Straße beginnt (der erste Tordurchgang von der Universitätsstraße aus gesehen). Verschiedene Gruppen haben sich mit jeweils einem Monument beschäftigt. Im Folgenden erhalten Sie eine kurze Vorstellung und vor allem auch eine Bestimmung des Denkmaltyps – denn nicht ein Denkmal gleicht hier dem anderen.

Ein Kriegerdenkmal

von Lizge, Sina und Stefano

Das von uns untersuchte Denkmal ist das zeitlich früheste auf der „östlichen Längsachse“, das am 6. Juli 1853 erbaut wurde. Dabei handelt es sich um ein Kriegerdenkmal, welches in Form eines mehrere Meter hohen Pfeilers dargestellt ist. Auf der Säule befindet sich ein „antikisierender“ Helm, der den Helmen griechischer Krieger aus der Antike nachempfunden ist. Das Denkmal soll an die gefallenen Kölner erinnern, die an den Feldzügen Napoleons teilnahmen. Auf der linken, rechten und der Rückseite der Säule sind die Namen von Soldaten eingraviert. Unter den Namen befindet sich zusätzlich das Geburtsdatum, sowie der Todestag mit einem Eisernen Kreuz daneben. Oberhalb der Säule ist links und rechts jeweils ein Kranz zu erkennen, welcher zur Ehrung dient. Unter dem Helm auf der Vorderseite ist eine Krone mit dem Buchstaben „N“, welcher für Napoleon steht, zu erkennen. Dieses Denkmal wurde von den zurückgekehrten Soldaten errichtet, um an ihre gefallenen Kameraden zu erinnern. Anders als sonst üblich nennen sie aber nicht die Namen dieser gefallenen Kameraden, sondern ihre eigenen - mit der Intention, sich selbst zu ehren.

 

Ein Siegesdenkmal

von Bela, Greta und Luisa

Das Denkmal, welches wir uns angeschaut haben, lässt sich zu der Unterkategorie der Siegesdenkmäler zählen. Es wurde also mit der Absicht errichtet, einen militärischen Sieg zu feiern. In diesem Fall bezieht sich das Denkmal auf den Deutschen Krieg, der 1866 zwischen Preußen und Österreich geführt wurde. Er endete mit dem Sieg Preußens und ist einer der Kriege, der später mit zur Reichsgründung (1871) beitrug.

Zu sehen ist ein etwa 7 m großes Denkmal, dessen Sockel von Büschen umgeben ist; die Inschrift auf dem Sockel war leider kaum zu erkennen und nicht mehr lesbar. Darüber kann man eine plastische Darstellung erkennen, die eine Pickelhaube auf einem Kissen darstellt; von diesem Kissen hängt ein militärischer Orden herab. Pickelhauben waren Kopfbedeckungen, welche zu dieser Zeit vom preußischen Militär getragen wurden. Sie sind ein oft benutztes Symbol für Preußen, zum Beispiel auf Denkmälern oder in Karikaturen dieser Zeit. An den Seiten sind Ortsnamen eingraviert, an denen wichtige Siege stattfanden, sowie ein preußischer Adler. Darüber befindet sich eine Art „Dach“, auf welchem eine Statue des preußischen Adlers ist, der seine Flügel triumphierend ausbreitet.

 

Kriegerdenkmal oder Nationaldenkmal ?

von Dennis

Bei dem von mir untersuchten Denkmal handelt es sich auf den ersten Blick um ein Kriegerdenkmal für Gefallene des Krieges von 1870/71. Es wurde 1875 erbaut, nachdem 1872 in Köln ein Denkmal für französische Soldaten errichtet worden war, die in Köln in der Kriegsgefangenschaft gestorben waren. Deswegen wurde nun auch für die in Kölner Lazaretten gestorbenen deutschen Soldaten ein Denkmal errichtet. Der Sockel ist 10 Meter hoch und besteht aus Sandstein und Granitplatten. Das Denkmal befindet sich auf einer leichten Anhöhe und ist in der Form eines vierflügeligen Kreuzes erbaut worden.

Oben am Denkmal befinden sich die Wappen Preußens und der Stadt Köln über folgender Inschrift: „Zum Andenken an die in Köln in Folge des Krieges 1870/71 verstorbenen Söhne Deutschlands”. Über jeder Granitplatte findet sich der Name eines Schlachtenortes dieses Kriegs und ein Wappen des Staates, aus dem die gefallenen Soldaten stammten. Auf den Granitplatten selbst stehen dann die Namen der Gefallenen und ihre jeweilige Armeezugehörigkeit.

Insofern handelt es sich um ein Kriegerdenkmal zu Ehren von und zum Gedenken an Soldaten, die im Zuge des Krieges von 1870/71 ums Leben kamen. Allerdings geht es dabei nicht nur um Soldaten, die aus Köln stammten, sondern um Soldaten aus verschiedenen „deutschen“ Ländern, wie sich an den verschiedenen Landeswappen zeigt. Dieser nationale Gedanke wird auch in der Inschrift betont, in der das Denkmal den „Söhnen Deutschlands“ gewidmet ist. Vor allem aber befand sich auf der Spitze ursprünglich eine Statue der Germania mit Krone und Schild – also eine Personifikation „Deutschlands“; sie ist im Verlauf der 2. Weltkrieges verloren gegangen.

Diese Germania, dieses „Deutschland“ wurde als Nationalstaat aber erst 1871 gegründet, als Ergebnis des Sieges über Frankreich. Damit geht die Aussage des Denkmals über die Ehrung gefallener Soldaten hinaus, es handelt sich um ein Nationaldenkmal, das an die Gründung des deutschen Nationalstaats erinnert.

Ein interessanter Nebenaspekt gerade angesichts des nationalen Themas besteht darin, dass am Denkmal keine Kreuze verwendet wurden mit Rücksicht auf die jüdischen Soldaten, die unter den Opfern waren.

Im zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal beschädigt, aber nach einer Diskussion über seinen Abriss repariert, wenn auch nur notdürftig. Unmittelbar vor dem Denkmal befindet sich ein aus Bronze bestehendes Sturmgepäck eines Soldaten - dies gehört aber nicht zum Denkmal, sondern wurde aus einem anderen Zusammenhang einfach dorthin gestellt. Im Moment ist das Denkmal vernachlässigt und sanierungsbedürftig. Bäumchen wachsen bereits aus dem Tondach, die Steinfassade ist voller Risse und das Denkmal verfällt generell immer mehr.

(K)ein Mahnmal ?

Hinter dem Denkmal von 1871 befindet sich ein kleines Gräberfeld für Kölner Opfer der beiden Weltkriege 1914-1918 und 1939-1945. Sie gehören damit zwar nicht unmittelbar in den „Weg zur Reichsgründung“. Allerdings entstand mit dem Deutschen Reich eine neue Großmacht, deren zunehmend aggressive Außenpolitik ein wichtiger Grund für den Ausbruch des 1. Weltkrieges war. Und von diesem wiederum führt ein direkter Weg zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, der ohne alle Zweifel von Deutschland entfesselt wurde. Damit zeugen diese Gräber mittelbar von den schrecklichen Folgen, die der „Weg zur Reichsgründung“ für die deutsche und auch die Kölner Bevölkerung hatte.

Im hinteren Teil des Gräberfeldes liegen gefallene Soldaten des 1. Weltkrieges. Bei den Grabsteinen handelt es sich um individuell gestaltete Grabplatten, die auf dem Boden liegen und den Namen, militärischen Dienstgrad und das Todesjahr nennen. Sie befinden sich allerdings in keinem guten Zustand, viele sind derart von Moos überwachsen, dass die Inschriften bereits nicht mehr zu lesen sind.

Im vorderen Teil des Gräberfeldes ruht ein Teil der Kölner Opfer des 2. Weltkrieges (an anderer Stelle auf Melaten und auf anderen Friedhöfen gibt es weitere, sehr viel größere Gräberfelder). Hier stehen schlichte Grabkreuze, die nur den Namen und die Lebensdaten der Menschen nennen. Anders als im hinteren Teil finden wir hier nicht nur die Namen von Männern und Soldaten, sondern auch die von Alten, Frauen und Kindern. Wodurch die Menschen jeweils ums Leben kamen – ob sie Opfer des NS-Regimes wurden oder durch die Auswirkungen des Krieges starben – ist nicht unmittelbar erkennbar.

Auch diese Grabsteine sind in keinem sonderlich guten Zustand. Während ich dies untersuchte, sprang mir aber noch etwas anderes ins Auge. In einer Reihe begegnete mir mehrfach derselbe Familienname. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass hier sieben Mitglieder derselben Familie begraben sind: Friedrich (42 Jahre) und Margarete Christenfels (39) – vermutlich die Eltern – und ihre fünf Kinder Katharina (19), Margarete (17), Friedrich (16), Elisabeth (12) und Gertrud (3).

Ihre Namen sind in der online-Datenbank des NS-Dokumentationszentrums für die „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ in Köln zu finden. Sie alle starben bei einem Luftangriff am 13. März 1942 im Schutzraum des Hauses Fleischmengergasse 50, das wohl einen Volltreffer erhielt.

Wenig verdeutlicht die Schrecken und das Elend von Krieg so sehr wie das Schicksal dieser Familie. Nun gelten solche Grabsteine zwar nicht als „historischen Denkmäler“ im oben beschriebenen Sinne. Und die berührende Wirkung ergibt sich auch erst aus der Kombination dieser sieben einzelnen Grabsteine, deren Zusammenhang sich aber mangels Kennzeichnung erst bei näherer Betrachtung ergibt. Stellt man ihn allerdings her durch ein verbindendes äußeres Merkmal – dann könnte man so aus einer Reihe von Steinen ohne Denkmalcharakter ein Mahnmal schaffen – wenigstens für einen Moment.

 

Gedenkkreuz für eine Kölner Hochzeitsgesellschaft auf dem Melaten-Friedhof

von Alessandro, Fanny, Luis und Matthias

Auch dieses Denkmal gehört nicht in den thematischen Zusammenhang der Reichsgründung, und es liegt auch nicht auf der östlichen Längsachse. Man findet es vielmehr an der Friedhofskapelle St. Maria Magdalena und Lazarus, die man von der Haltestelle Melaten aus direkt hinter der Friedhofsmauer sieht.

Bei diesem Gedenkkreuz für eine Kölner Hochzeitsgesellschaft handelt es sich um ein Mahnmal, welches vor einer ähnlichen Katastrophe warnen soll. Das Denkmal wurde für eine mehr als 100 Personen umfassende Hochzeitsgesellschaft errichtet, die im Zweiten Weltkrieg während eines Fliegerangriffs der Alliierten auf das vom Luftkrieg besonders stark betroffene Köln am 31. Oktober 1944 Schutz in einem Tiefbunker am Tor des Melaten-Friedhofs suchte. Der Luftangriff gilt als der schwerste von insgesamt 262 alliierten Luftangriffen auf Köln. Sollte die Trauung in dieser Kapelle stattfinden? Oder befand man sich gegenüber im Café bereits beim Hochzeitsschmaus? Nichts darüber ist bekannt, nicht einmal die Namen der Opfer lassen sich recherchieren. Dies mag daran liegen, dass alle – Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn – eingeladen waren und auch alle ums Leben kamen.

Das Denkmal besteht aus einem steinernen Kreuz, das vermutlich aus einem früheren Zusammenhang stammt und wiederverwendet wurde. Davor liegt eine Tafel mit folgender Inschrift:

Zur Erinnerung / an die mehr / als 100 Teilnehmer / einer Hochzeitsgesellschaft, die hier im / Bunker am 31. Oktober 1944 / Opfer der Bomben wurden.

 

Vergessene Geschichte

Alle vorgestellten Denkmäler zeugen vom Krieg und seiner tragischen Bedeutung für die deutsche Geschichte – allerdings mit deutlichen Unterschieden. Die frühen Denkmäler feiern Siege und verherrlichen die Teilnahme am Krieg. Erst die späteren zeugen von und warnen vor seinen schrecklichen Auswirkungen. Damit kann man schon an diesen wenigen Beispielen einen Wandel in der Sicht auf den Krieg, einen Wandel in der Geschichtskultur erkennen.

Allerdings befinden sie sich alle in keinem guten Zustand. Inschriften sind verwaschen und unleserlich, plastische Darstellungen beschädigt, Sockel von Moos und Pflanzen überwuchert. An keinem Denkmal finden sich Informationen, die seine Aussage erläutern und problematisieren. Und auch im Internet sind nur sporadisch und unsystematisch Informationen zu finden. Noch viel weniger werden die einzelnen Monumente in einen Zusammenhang gesetzt. Das ist bedauerlich, denn sie alle zeugen vom Schicksal von Menschen, von zentralen Abschnitten der deutschen Geschichte und vom Umgang der jeweiligen Gesellschaft mit ihr.

Es wäre vielleicht ein sinnvolles und interessantes Projekt – natürlich in Absprache mit der Friedhofsverwaltung –, diese historischen Zeugnisse zu reinigen, ihre historische Aussage damit zu bewahren und sie sachkundig zu kommentieren. Dazu wären natürlich weitere und genauere Untersuchungen der einzelnen Denkmäler erforderlich.

 

Epilog

Zwischen unserem Besuch auf Melaten und der Fertigstellung dieses Artikels hat sich etwas getan.

Die Stadt Köln hat – vermutlich am Volkstrauertag – einen Kranz vor dem Denkmal von 1870/71 aufstellen lassen. Weiter ist aber nichts geschehen: keine Säuberung, keine Restaurierung, auch keine Kommentierung. Damit wird auch nicht klar, wessen hier mit dem Kranz gedacht wird. Der Kriegstoten? Der Kriege? Der durch Krieg herbeigeführten Nationalstaatsgründung? In derselben Form hat die Stadt Köln auch Kränze vor anderen Denkmälern gestiftet – auch hier ohne „Botschaft“.

Aber nun sind es eben Denkmäler – da gedenkt man eben gefälligst. Wessen auch immer.

Übrigens scheint auch der Kreisverband der AfD vor demselben Denkmal einen Kranz gestiftet zu haben. Ob es hier eine „Botschaft“ gab, lässt sich nicht mehr erkennen, denn bereits kurze Zeit später hat offenbar jemand die Schleife des Kranzes abgerissen.

Interessant ist, dass die Denkmäler offensichtlich doch noch Interesse auf sich ziehen oder sogar zum Gegenstand von Kontroversen werden – ohne dass sich an ihrem verwahrlosten Zustand etwas ändern würde.

EZ

 

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